Der zweitägige Schweiz-Ausflug einer Gruppe aus Italien sollte ein schöner Abschluss des Sommers werden. Doch die Wanderung im Bleniotal endet auf 2200 Metern Höhe in einer Tragödie. Ein Bub (†14) stürzt über 100 Meter in den Tod. Er reisst einen Kollegen (15) mit in die Tiefe. Ein Schweizer Junge (13) eilt herbei, will helfen und stürzt ebenfalls ab. Die zwei überlebenden Teenager liegen in Lugano TI auf der Intensivstation. Chirurgen kämpfen verzweifelt um ihr Leben.
Die 20-köpfige Gruppe des Sportvereins von Bisuschio bei Varese (I) ist am Sonntag seit den Morgenstunden unterwegs. Nach einer Pause in der Scaletta-Hütte westlich der Greina-Hochebene treten sie kurz vor 12 Uhr den Abstieg an. 70 Minuten Marsch liegen noch vor den Italienern. Eine gut sichtbare Abkürzung lockt einige aus der Gruppe auf einen längst verlassenen Trampelpfad, der nicht mehr als offizieller Wanderweg in Karten eingezeichnet ist.
«Der Pfad ist zwischen 20 und 30 Zentimeter breit», sagt Giovanni Galli (50), da reiche eine Unaufmerksamkeit und man tritt daneben. Der Präsident der Tessiner Sektion des Schweizer Alpen-Clubs ist seit 20 Jahren auch Bergführer. «Für erfahrene Berggänger ist der Weg kein Problem. Doch er ist gefährlich, weil es dort steil in die Tiefe geht.»
Auch Gallis SAC-Kollege Dario Lanfranconi (38) kennt die Gegend gut. «Ich bin mindestens einmal im Jahr dort oben», sagt der passionierte Bergsteiger, «am Sonntag war der Pfad auch noch nass, weil es geregnet hatte. Wer dann die falschen Schuhe trägt, kann schnell ausrutschen». Lanfranconi hat eine Vermutung: «Sicher wollte die Gruppe die Strecke abkürzen. Man spart über diesen Pfad eine gute halbe Stunde.» Giovanni Galli appelliert derweil an alle Touristen: «Bitte bleibt auf offiziellen Wegen oder sucht bei Ortskundigen Rat.»
Im norditalienischen Bisuschio sind Trauer und Bestürzung gross. Das Todesopfer war in der Gemeinde bekannt. Seit 30 Jahren lebt die aus Marokko stammende Familie von Youssef B.* im Dorf. Ihr Bub hatte gerade die Schule beendet, plante nun, eine Berufsausbildung zu beginnen. «Wir wollen wissen, was genau passiert ist», fordert der Vater gegenüber «Varese News». Auf viele seiner Fragen gibt es noch keine klaren Antworten. Wer aus dem Sportverein führte die Kids auf die gefährliche Abkürzung? Wie kam es zum Unglück? War die Gruppe angemessen ausgerüstet?
Der Sportverein hüllt sich in Schweigen. «Wir können noch nichts zum Geschehen sagen», so Direktor Omar Patella zu Blick. Die erwachsenen Begleiter des Sportvereins seien noch in der Schweiz und stünden den Schweizer Ermittlern zur Verfügung, erklärt unterdessen Giovanni Resteghini (67), Gemeindepräsident von Bisuschio, gegenüber «Varese News». Im Tessin geht das Bangen weiter. Der Gesundheitszustand der beiden schwer verletzten Buben sei noch immer kritisch, berichten Tessiner Medien.