Ein 40-Tonner voller Spenden startet erneut in die Darmstädter Partnerstadt Ushgorod in der Ukraine. Der Lastwagen mit Hilfsgütern wird dort schon sehnsüchtig erwartet.
Der Krieg tobt nur noch im Osten der Ukraine, in den übrigen Landesteilen ist es ruhig geworden, die Menschen leben ihren gewohnten Alltag. Für was brauchen sie noch Hilfe aus Deutschland? „Für die Binnenflüchtlinge“, sagt Claudia Ehry, Pressesprecherin des Vereins Partnerschaft Deutschland-Ukraine/Moldova (PDUM). Der in Darmstadt ansässige Verein schickt deshalb am 22. September den nächsten großen Hilfsgütertransport nach Ushgorod im ukrainischen Transkarpatien. Die 118 000-Einwohner-Stadt im Dreiländereck zwischen Ungarn, der Slowakei und der Ukraine ist seit 1992 Partnerstadt von Darmstadt.
Rund 40 000 Binnenflüchtlinge aus Charkiv und den kriegsbetroffenen Gebieten der Ukraine halten sich aktuell in Ushgorod auf. Dass die Stadt immer noch vielfrequentierter Zufluchtsort ist, liegt nach Ehrys Aussage an ihrer Lage. Zum einen ist sie durch die Karpaten relativ abgeschnitten vom großen Rest der Ukraine – „und damit relativ sicher“, so Ehry, zum anderen liege sie direkt an der slowakischen Grenze.
Laut Ehry haben sich 25 000 Binnenflüchtlinge bei den örtlichen kommunalen Behörden registrieren lassen und 15 000 Unregistrierte per Handy für die Hilfslieferungen aus Deutschland gemeldet. Der Partnerschaftsverein Ushgorod-Darmstadt – das ukrainische Pendant zur deutschen Hilfsorganisation – organisiert gemeinsam mit der Stadtverwaltung Ushgorod die Versorgung der Flüchtlinge. Die Spenden kommen in Ushgorod in ein Zentrallager und werden dann in das „Eulennest“, ein Veranstaltungsgebäude in der Stadtmitte, gebracht. An extra organisierten Sammeltagen für Mütter und Kinder oder Senior:innen werden die Bedürftigen per E-Mail benachrichtigt. „Die Helfer gehen aber auch in Heime und Schulen und fragen, was gebraucht wird“, sagt Ehry.
Wer von den Geflüchteten Geld hat, kann sich in Ushgorod eine Wohnung leisten. Es gebe aber viele, die mittellos sind und in Turnhallen schlafen, sagt Ehry. Nahezu alle seien im Sommer mit kleinem Gepäck in die Stadt gekommen. „Sie brauchen jetzt Wintersachen“, so Ehry. Dicke Kleidung für Erwachsene, Jugendliche und Kinder sei dringend erforderlich, weil auch das Heizen wohl problematisch werde, denn viel Infrastruktur sei zerstört.
Vier Sammeltermine wurden seit dem 27. August für die Hilfsgüter eingerichtet, für Samstag, 17. September, ist der letzte terminiert. „Was an diesem Tag abgegeben wird, geht noch in den 40-Tonner nach Ushgorod“, sagt Ehry.
Die Flüchtlinge in Ushgorod und Umgebung brauchen Winterbekleidung, warme Hausbekleidung, feste, warme Winterschuhe und Hausschuhe sowie dicke, warme Decken.
Benötigt werden auch haltbare Nahrungsmittel, zum Beispiel Nudeln, Reis oder Konserven, Kindernahrung, Kindershampoo, Babypuder und Windeln Größe 5 bis 7, Hygieneartikel und Windeln für Erwachsene sowie Schulausrüstung für Kinder und Jugendliche sowie Rucksäcke.
Funktionsfähige Großgeräte wie Waschmaschinen, Trockner und Staubsauger sind erwünscht, genauso wie Elektro-Heizgeräte und gut erhaltene Küchengeräte.
Geschirr, Töpfe und Pfannen sollten verpackt und gekennzeichnet werden.
Auf die Reise gehen auch Handtücher, Bettwäsche, Tischdecken, Vorhänge, Bettzeug, Erste-Hilfe-Koffer, Kfz-Verbandskästen, Gehhilfen, Rollstühle, Rollatoren, Fahrräder und Werkzeuge.
Abgabeort ist das Depot des Vereins Partnerschaft Deutschland-Ukraine/Moldova im südhessischen Griesheim, Am Bahnhof 27. Am Samstag ist es von 9 bis 12 Uhr geöffnet. ann
Neun Transporte hat der Partnerschaftsverein Deutschland-Ukraine/Moldova bisher in die Partnerstadt organisiert. Anfangs wurden nur Lebensmittel, Babybedarf, Körperhygieneartikel und Bekleidung in den Lastwagen geladen. Dann ist laut Ehry die Liste länger geworden, die im regelmäßigen Austausch über E-Mail und den Chat-Dienst Viber mit dem ukrainischen Partnerschaftsverein entstand. In der Folge waren Fahrräder, Rollatoren und Großgeräte in Ushgorod erwünscht.
Jetzt stapeln sich im Depot des Darmstädter Partnerschaftsvereins eine Menge Rollatoren, Gehhilfen und Rollstühle. „Das ist jetzt die größte Menge aller bisherigen Hilfslieferungen, da wird der Laster voll“, freut sich die Pressesprecherin. Ihr Verein erhält viele Sachspenden aus Haushaltsauflösungen von älteren Menschen, die in ein Heim umziehen. Auch die Angehörigen von Verstorbenen liefern ins Hilfsgüterdepot. „Ein großes Lob, die Sachen sind durchgängig sehr gut“, sagt Ehry. „Nur weniges riecht nach Keller.“
Der Darmstädter Verein sammelt auch Geld. Damit kauft der ukrainische Partnerschaftsverein beispielsweise Waschmaschinen in den Nachbarländern. Ein großer Teil des Geldes wird auch für Medikamente verwandt. Projekte für Kinder werden damit ebenfalls finanziert. „Wir werden weitermachen“, sagt die Pressesprecherin. „So lange, wie Bedarf gemeldet wird.“
Seit 30 Jahren pflegt Darmstadt übrigens freundschaftliche Beziehungen zu Uzhgorod. Anlässlich des runden Geburtstags stellt der Verein Partnerschaft Deutschland-Ukraine/Moldova am Sonntag, 18. September, um 15 Uhr im Hessischen Landesmuseum den ukrainischen Künstler Alexander Archipenko vor. Die Kunsthistorikerin und Journalistin Nina Rybacheva geht auf Leben und Werk des 1887 in Kiew geborenen Künstlers ein, der zu den Wegbereitern der modernen Bildhauerei zählt. Im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt sind zwei Werke von ihm zu sehen: „Heros“ (Terrakotta) und „Stehende“ (Kunststein). Die Teilnahme ist auf 25 Personen begrenzt. Tickets zum Preis von sechs Euro (freier Eintritt bis 18 Jahre und für Studierende) gibt es am Veranstaltungstag an der Museumskasse.