Im vergangenen Jahr veränderte sich das Leben des Schauspielers von einem Tag auf den anderen. Seine Frau wurde zum Pflegefall. Mit SuperIllu spricht der gebürtige Danziger über die letzten Monate.
Auf den Wiesen grasen Kühe, im Café in der Ortsmitte werden die Stühle hinausgestellt. Es ist ein idyllischer Ort, in den Heinz Rennhack, 85, vor 17 Jahren zog. Eine Umstellung. „Die längste Zeit meines Lebens habe ich in Großstädten gelebt. Dresden, Berlin, wo ich am längsten war, und Hamburg. Aus mehreren Gründen entschieden wir uns dazu, mit unserer Tochter und ihrem Mann, aufs Land zu ziehen.
Zuerst widerstrebte mir die Idee, doch dann habe ich gemerkt, dass die Ruhe mir ganz gut gefällt“, sagt der Schauspieler. In der 1600-Einwohner-Gemeinde in Schleswig-Holstein kennt man sich, grüßt einander. „Ich fühle mich hier sehr wohl.“ Gründe gibt es viele. Die Nähe zu Hamburg und der Ostsee, die wunderschöne Natur. Und dass die Norddeutschen zurückhaltende, sympathische Menschen sind: „Da kommt höchstens mal einer auf dem Markt und fragt: Sind sie nicht...?! Ich sage dann spontan ,Ja‘ und freue mich, dass ich erkannt werde.“ Ein Blick genügt für viele, um sich an besondere Fernsehmomente mit Heinz Rennhack wie in ein „Ein Kessel Buntes“, in der TV-Serie „Spuk im Hochhaus“ oder seine Auftritte als Mona Lisa Lehmann zu erinnern.
Es war für mich eine schwere Zeit. Mir kamen oft die Tränen, weil mir die Zukunft so grau vorkam.
Unser Interview beginnt statt um zehn erst um elf Uhr. Ein Wunsch des Schauspielers, der zugibt: „Ich bin ein Morgenmuffel, der vor elf Uhr nicht gerne redet.“ Dann aber umso mitreißender. Wenn der gebürtige Danziger erzählt, gibt er seinen Worten durch Mimik und Gestik noch mehr Gewicht. Dass er im März 85 wurde, ist kaum zu glauben. Eine große Feier gab es zum Ehrentag nicht. „Wir haben den Tag im kleinen Kreis verbracht. Ich wollte immer auf der Bühne begeistern und vom Publikum gefeiert werden, privat brauche ich diese Aufmerksamkeit nicht.“
Zudem sei ihm in den vergangenen Monaten nicht nach Festen zumute gewesen. Da war der Ukraine-Krieg und zudem die gesundheitlichen Probleme seiner Frau Annemarie, 82. Sie war Anfang des vergangenen Jahres drei Mal gestürzt, verletzte sich schwer am Rücken und brach sich zudem beide Handgelenke. „Unser Leben hat sich auf einen Schlag komplett verändert.“ Zunächst wurde Annemarie Rennhack im Krankenhaus behandelt, dann kam sie – weil sie schwere Medikamenten nehmen musste und nicht mehr gehen konnte – in ein Pflegeheim. Vier Monate lang lebte der Bühnenstar deshalb alleine in seinem Haus. Mit Tochter Romy, 52, die mit ihrem Mann nur wenige Meter entfernt wohnt, organisierte er den Alltag.
In der Rückschau sagt Rennhack, der seine Frau damals regelmäßig besuchte: „Es war für mich eine schwere Zeit. Ich bin ein emotionaler Mensch und ich gebe zu, dass mir oft die Tränen kamen, weil die Zukunft mir so grau vorkam.“ Im September entschied sich Heinz Rennhack dann doch, seine Frau, die Pflegestufe 2 bekam, nach Hause zu holen. Er betreut sie rund um die Uhr. „Meine Frau sagt oft zu mir: ,Dass ich mit dir verheiratet bin, ist das größte Glück meines Lebens.‘“ Es falle ihm nicht leicht zu sehen, dass es ihr nicht gut geht, sie dauerhaft Schmerzen hat. „Wir sind 55 Jahre verheiratet, aber ich fange jetzt erst richtig an, meine Frau zu bewundern. Was sie für eine Steherin ist, finde ich unglaublich. Oft höre ich von ihr: ,Ich glaube, du nimmst die Situation viel tragischer als ich selbst.‘ Ich lerne meine Frau jetzt noch einmal neu kennen.“ Täglich erkämpft sie sich ein Stück Normalität, kann mit einem Rollator bereits einige Schritte gehen. „Wir geben die Hoffnung nicht auf. Sie kann sich an allem hochziehen, sie ist positiver als ich. Ich kann von ihr Optimismus lernen.“
Für ihre Pflege entschied sich der Schauspieler ganz bewusst. „Ich wollte nicht die ganze Zeit fremde Leute im Hause haben. Es ist selbstverständlich, dass ich es tue. Sie war immer für mich da, jetzt bin ich es für sie!“ Trotz der schwierigen Situation ist die Stimmung zu Hause meist fröhlich. „Wir lachen viel. Oft sagt meine Frau: ,Heinz spielt mal wieder Theater – nur für mich.‘ Wir sind ein gutes Team, auch wenn es nicht immer harmonisch bei uns ist. Wir streiten jeden Tag, dabei wissen wir nach einer halben Stunde gar nicht, warum wir gestritten haben“, erklärt er und grinst.
Annemarie, die er mit 25 kennenlernte und in die er sich sofort verliebte, sei für ihn immer der perfekte Gegenpart gewesen. „Sie hat früher oft die Initiative übernommen. Menschen, die uns kennen, behaupten, sie habe bei uns die Hosen an. Das ist aber nicht so“, sagt Rennhack augenzwinkernd und ergänzt: „Wir sind sehr unterschiedlich, aber wir finden das für unser Zusammenleben eine ausgesprochene Bereicherung.“
Doch was steckt dahinter, dass er seine Frau nicht Schatz, sondern „Knüppel“ nennt? „Das kommt davon, weil sie ein ganz sturer Hund sein kann.“ Der diplomierte Opernsänger ist sicher, dass er auf der Bühne glänzen konnte, weil er ihre Unterstützung hatte. Er nennt uns ein Beispiel: „Wir sind bis heute aus beruflichen Gründen acht Mal umgezogen. Sie hat mich immer bestärkt und sich nie beschwert.“ Sie unterstützte ihn auch, als er 1988 entschied, in den Westen abzuhauen. Ein Jahr später fand die Familie wieder zueinander. Rennhack eroberte sich das West-Publikum, spielte unter anderem in Hamburg und Berlin Theater. Er erinnert sich: „Der Besitzer des Ku’damm Theaters sagte damals: ,Auf so einen wie Sie haben wir zehn Jahre gewartet.‘“ Bis heute ist der Schauspieler für viele Menschen Teil ihres Lebens. Schon öfter hätten erwachsene Männer mit Tränen in den Augen vor ihm gestanden. „Wenn ich mich dann bedanke, dass sie mich erkannt haben, antworten sie oft: „Aber natürlich! Sie sind doch meine Kindheit.“
Vor drei Jahren beendete Rennhack im Theater in Meiningen seine Karriere. „Ich dachte mir: Ich muss ja nicht unbedingt mit 105 Jahren noch auf der Bühne stehen.“ Dass der gelernte Tischler überhaupt dort landen würde, war nicht geplant. „Als ich acht war, haben viele gesagt: ,Der Kleine muss zum Theater.‘ Dabei hatte ich doch bei einer Feier oft Angst, dass ich ein Gedicht aufsagen oder ein Lied singen muss. Wenn es so weit war, habe ich mir fast in die Hose gemacht.“ Die Angst verflog. Bis heute weiß Rennhack, wie er die Menschen mit seiner spitzbübischen Art begeistern kann. „Ich habe schon vor Jahrzehnten gesagt: So richtig erwachsen werde ich wohl nie.“
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